ART LARSON

KÜNSTLER VERANSTALTUNGEN SOPHIA LARSON

 

 

Lucio SCORTEGAGNA

 

Lucio Scortegagna ist 1948 in Monte Magre bei Vicenza in Italien geboren,wo er auch seine Maler– und Bildhauerateliers unterhält. Er hat nicht nur Malerei und Skulptur in Venedig an der Akademie der Schönen Künste und am Kunstgymnasium studiert, sondern auch Geisteswissenschaften und verkehrte mit den Meistern der venezianischen Kunstszene. Seit 1963 widmet er sich der Malerei und stellt seit 1966 seine Werke aus. Ab 1977 wechselt er ständig zwischen Malerei und Skulptur. 30 Jahre lang wirkte er selber als Dozent für plastische Disziplinen.

Giorgio Segato aus Padua beschreibt Scortegagna als Skulpturschaffenden durch und durch, und dies nicht nur wegen der Art, wie er die Materialien zu behandeln und in originelle Formen zu modulieren versteht, die seinem Inneren entspringen und ihn mit der Materie, innerem und äußerem Raum, der Farbe, eins werden lassen. Nein auch – und ich würde sogar sagen, vor allem – wegen der Art, wie er das Verhältnis zwischen Materie und Form empfindet, als harmonische Kontinuität im sichtbaren Raum, als Maß, Proportion und gleichzeitig Bedeutung oder – besser – Bedeutungen, Mehrdeutigkeiten. Und wie er außerdem quantitativ und qualitativ die Hinwendung seines Blickes auf den Volumenverlauf variieren kann, also auf die Bewegungen des Lichtes, das die sinnlichen, rundlichen Oberflächen liebkost oder verschluckt wird, gleitend auf unvermittelt endenden stumpfen Flächen, auf Schnitten, die das plastische Ereignis vollkommen verwandeln von einem „anatomischen Fragment“, von plastischer und leuchtender Resonanz des Körpers in Aussicht, Landschaft, sensitive Modulation des Verhältnisses zum umgebenden Raum mit den oft zarten, weichen Linien der Silhouette aus Hügeln und Bergen, die er seit seiner Geburt vor Augen hat, mit all ihren vielfältigen, schier unendlichen Variationen der Farbe, der Atmosphäre, der Jahreszeiten und der Stellen, auf denen das Auge ruhen bleibt.

 

www.lucioscortegagna.it

 

 

DIE FORM DER SINNE

von Giorgio Seveso (Mailand 2007)

 

 

Seit jeher arbeitet Scortegagna seine Figuren mit klarer Energie in einem labilen Gleichgewicht zwischen der dichten Körperlichkeit der Volumina und der weichen Sinnlichkeit der Bewegung heraus, füllt den Raum mit dem Zauber dieser seiner permanenten, gedankenverlorenen und glühenden Dialektik im Schwebezustand. Da ist dieses Wort wieder: Dialektik, also Vergleich, Reibung, Konflikt und Komposition, Streit und Versöhnung zwischen einander entgegengesetzten Elementen, zwischen unterschiedlichen Impulsen und Motiven, die durch ihr Aufeinandertreffen etwas Neues entstehen lassen, das mehr ist als die einzelnen Teile, die eine andere Sensibilität des Bildes bewirken, dessen Sinn und Eindrücke wachsen lassen. Genau diese Dialektik zwischen Formen – zwischen den Gefühlen, die wie eine zweite Haut, wie eine Patina aus Empfindungen und Beschwörungen diesen Formen eigen sind –ist deshalb der eigentliche Schlüssel zur Kreativität und zu den lyrischen Faszinationen seiner Arbeit.

 

Zu Beginn habe ich nicht ohne Grund das Wort “Figuren” benutzt. Wenn diese Unterscheidung noch irgendeine Bedeutung hat, und für mich hat sie es, besteht nämlich kein Zweifel, dass Scortegagna auf seine Art ein eminent figurativer Skulpturschaffender ist, er also in jedem Stück seines Werkes die Probleme der Form hinterfragt und hauptsächlich, um nicht zu sagen ausschließlich, auf dem dünnen Grat einer anthropomorphischen Spannung löst, die den Körper, insbesondere den weiblichen Körper mit seiner ganzen überbordenden Sinnlichkeit und diffusen Erotismen im Zentrum jeder Spannung, jeder Weitung sieht, die gleichzeitig Konzentration des plastischen Zeichens ist. Dass mit anderen Worten im Grunde seiner Fantasie als endgültiges, unüberwindliches Modell eine anatomische, ganz präzise und gewissenhafte Natürlichkeit festzustellen ist, ganz das Gegenteil somit der Beliebigkeit eines abstrahierenden oder rein formalen Blickes. Dass im Übrigen in seinem Werdegang und der Definition seiner Poetik die Gründe für diese seine figurale Expressivität implizit angelegt sind, scheint mir logisch. 

 

Unser Bildhauer ist in Monte Magrè geboren, wo er auch arbeitet, in den Hügeln hinter Schio, in einem Dorfflecken, der seinen Nachnamen trägt. Also fest verwurzelt im Boden und den Steinen jener alten Häuser und jener Kultur, in der Kontinuität einer Geschichte, die reich ist an Menschlichkeit, Wissen, Erinnerungen... In der Konkretheit also eines Blickes und eines Denkens ohne Umschweife und Verzerrungen, ohne wohlfeile Missverständnisse, ohne Weltflucht rein ästhetischer Wunschträume wegen, der jedoch einen sicheren und soliden Schwerpunkt der Vorstellungskraft ausbildet, fähig, jeden noch so kühnen Sophismus, jeden noch so vergänglichen Ansatz in die reale Dimension zurückzuführen.

 

Weiter oben sagte ich aber auch, er sei figurativ auf seine Art. All das heißt nämlich nicht, dass die Formen Scortegagnas’ je dazu neigen würden, sich sklavisch an den Ebenbildern des auch nur im Entferntesten Realen zu orientieren. Nein, die Klarheit seiner Werke liegt ganz in ihrer distanzierten und gedehnten Körperlichkeit, in einer figuralen Wahrheit, die vollkommen innerlich, unter der Haut, in den Grundzügen der Strukturen, den tiefen anatomischen Anklängen, den Muskeln und Sehnen vergraben sind, die von einer ebenso spritzigen wie – so würde man sagen – unbewussten, psychischen, immateriellen Anzüglichkeit sind, dort, wo die offensichtlich anatomischen Stücke dialektisch und dynamisch mit den strengen, präzisen und kantigen Elementen eines esprit de géométrie kontrastieren, der mehrdeutig, weich, geheimnisvoll mit der ganzen sinnlichen Lust des Organischen spricht.

 

Da ist sie wieder, die Dialektik der Formen und Tönungen, die undefinierbaren und suggestiven Antithesen seiner Werke aus Terracotta, aus Zement, den er mit raffinierten Techniken bis zur Grenze der perfekten Nachahmung von Bronze oder Eisen “metallisiert“, auch sie vage und ambivalent als Parallele zwischen den Epidermen der Materie und viel sagenden Formen. In der Galerie dieser seiner Werke – die auch im Kleinformat von außerordentlich monumentaler Beschwörungskraft sind – erscheint die Patina fest und dicht, das Licht wird reflektiert oder absorbiert, wie vom schwindelerregenden Schwarz eines Onyx oder Obsidian, in einem gelassenen und geruhsamen Farbwechsel des Schattens. Bei anderen Werken wiederum offenbart die Betrachtung einen gefurchten, grünlichen, archaischen Schein, ähnlich alten, von Geschichte erleuchteten Fundstücken, über die man ehrfürchtig mit der Hand fahren möchte. In beiden Figurengattungen entfernt sich die Inspiration nie nennenswert vom Kern eines metaphorischen und symbolisierten Eros, der vielflächig darauf abzielt, schwierige Harmonien und Unruhe zu beschwören; heftige Spannungen, Zäsuren, schräge und unvermittelte Schnitte, die bisweilen sogar – mehr als ein explizit erotisches Streicheln - an die Formen und Bewegungen erinnern, die man sonst vom Schwimmen oder vom Gleitfliegen kennt, eine fließende und zielgerichtete Bewegung, von den Gesetzen der Schwerkraft befreit, einhüllend und gleitend, locker und von jeder Reibung losgelöst...

 

Dann – wiederum – die klar hervortretende Überzeugungskraft der plastischen Dimension, die elegante Körperlichkeit von leer und voll, gedämpften Verschleierungen, die körperliche, vor Sinnlichkeit und Schauder knallende Intuitionen überdecken und wie mit geheimnisvollen Sehnsüchten umwickeln, mit den unsäglichen Echos einer so vollendeten wie eisigen Schönheit, die vom Blick auf die Seele zurückprallt, wie bei einem rätselhaften Anhalten der Zeit. Diese Art der Zeitlosigkeit, die Scortegagnas plastische Ausdruckssprache durchzieht, beruht auf etwas, das ich bezeichnen würde als Qualität einer stilistischen Entfremdung, dem Lösen seiner Identität von den üblichen (und beruhigenden) ach so bekannten Eckpfeilern der Kunstgeschichte.

 

Wie aus einer Art unbändiger Unschuld heraus, ähnlich einem subtilen argentinischen Kontrapunkt zu einer kaum vernehmbaren Begleitung hinter der melodischen Linie des Bildes, bewegt sich die Qualität, von der ich spreche, prallend im Innern der methodischen Suche Scortegagnas in einem breiten Fächer von Möglichkeiten, in einem zeitlosen Eklektizismus, der durch die Vereinigung des Organischen, Geometrischen und Expressiven auch offenherzig das Ausmaß an Liebe und Abneigungen des Schaffenden darstellt: Eine grundlegende Unschuld, die von Mal zu Mal Medardo Rosso mit Brancusi, Rodin mit Henry Moore ergänzend verbindet, die Synthese des Archaischen mit den raffiniertesten Übertreibungen des Begrifflichen...

 

Unschuld, habe ich geschrieben. Ja, aber nicht Einfältigkeit oder – schlimmer noch – Naiveté, verstanden als künstlerische oder opportunistische Wahl von Tönungen und Ton. Im Gegenteil, jenseits jedes möglichen Echos, aller möglichen Zitate oder Inspirationen, ist in ihm stets eine empfindsame und äußerst persönliche Bildwahrheit, fähig, jede semantische Tiefe, jede Erweiterung des Imaginären, jeden Aufruf zur Überschreitung der Grenzen des Realen hin zu den Dimensionen der emblematischen Anzüglichkeit und somit der wahren Poesie mit  greifbarer Klarheit zu füllen.

 


A  R  T     L  A  R  S  O  N 

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